An(ge)dacht

Bekenntnis braucht Bildung

Liebe Glaubensschwestern und -brüder,

Bekenntnis braucht Bildung - Bildung braucht Bekenntnis. Davon bin ich zutiefst überzeugt. Ein Bekenntnis ohne Bildung bleibt naiv und kann schnell instrumentalisiert werden. Bildung als Selbstzeck betrieben, ohne von einer Überzeugung getragen zu sein, ist oberflächlich, unverbindlich und beliebig austauschbar. Nebenbei bemerkt, auch der Humanismus mit seinem grundlegend positiven Menschenbild und kulturoptimistischen Ansatz ist für mich eine solche Überzeugung und ein umfassendes Bildungsprogramm. In Verbindung mit dem Christentum hat er in der Geschichte solche humanistisch gebildeten Bekennertypen wie Nikolaus von Cues (1401-1464) und Thomas Morus (1478-1535) hervorgebracht.

 

Unsere Kirche und Gesellschaft braucht heute auch mündige Christen und Christinnen! In der Kirche, um deren Wandel zu gestalten, in der Gesellschaft, um sozialen Frieden, z.B. durch den interreligiösen Dialog, zu stiften. Für den interreligiösen Dialog genügt es nicht, sich Handbuchwissen über andere Religionsgemeinschaften anzueignen und dann weiter seine kulturellen oder politischen Vorbehalte zu pflegen. Interreligiöser Dialog ist ein Gespräch zwischen auskunftsfähigen Glaubenszeugen und über deren Grundüberzeugungen und das ist in meiner Praxis auch das, was oft eine reale Verbindung schafft.

 

Besorgniserregend finde ich, der ich Ende der 90-iger Jahre zum Theologiestudium an die Westfälische Wilhelms-Universität gekommen bin und dort noch den von Johann Baptist Metz (1928-2019) entwickelten Ansatz einer „Theologie nach Auschwitz“ kennen gelernt habe, folgenden Kommentar in der Presse:

"In den Schulen im Regierungsbezirk Münster fallen mehr antisemitische Äußerungen als noch vor wenigen Jahren. Darum ist es richtig, Lehrerinnen und Lehrer stark zu machen für den Widerspruch." (WN, Ausgabe vom 16. Januar 2020, Kommentar "Weghören hilft nicht", Seite 1)

 

Gefordert wird, dass Lehrerinnen und Lehrer (als Elternteil sehe ich mich da allerdings auch in der Verantwortung) in einen Dialog gehen und dort klaren Widerspruch artikulieren, also nicht nur ganz allgemein verstandene Toleranzfloskeln im Umgang mit Religionen abspulen, sondern auch Begründungen und eigene Überzeugungen anbieten, sagen und leben, wofür sie stehen, und so wirklich Möglichkeiten zur Orientierung für Kinder und Jugendliche anbieten. Erforderlich ist hier also ein spürbarer Bekenntnischarakter mit erkennbarer Vorbildfunktion!

 

Ein zweiter Blick in dieselbe Zeitungsausgabe finde ich sehr ernüchternd, wenn über die Umwandlung der Bekenntnisschulen in Gesamtschulen in Telgte berichtet wird. An erster Stelle stehen ganz pragmatische und für mich auch sehr verständliche Erwägungen um nicht genug vorhandene Schulkapazitäten für Kinder vor Ort, ungerecht empfundenen Aufnahmekriterien, schulischen Personalmangel, unkompliziertere Leitungsstellenvergabe, kurze Schulwege sowie aufwendigen Zubringerverkehr und Zusammenhalt im sozialen Nahbereich. (WN, Ausgabe vom 16. Januar 2020, RTEL 1)

 

In der Darstellung des gut besuchten Abends wird aber an keiner Stelle etwas zur Qualität des Bekenntnischarakters von Schulen gesagt. Damit meine ich auch nicht die u.a. auch von mir mitgestalteten Schulgottesdienste. Gottesdienste allein sind noch lange kein Profil. Prägt das Bekenntnis also gar nicht die schulische Alltagswelt und Kultur an diesen Schulen? Eine Auseinandersetzung dazu wäre, auch unabhängig davon, wie Eltern zukünftig über die Umwandlung abstimmen werden, mal angedacht.

 

Ein gebildetes Bekenntnis und bekennende Bildung – oder bildlich gesprochen – ein verständiges Herz und einen beherzten Verstand unabhängig von jeder Schulform wünscht sich,

David Krebes (Pastoralreferent)

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