An(ge)dacht
christlicher Glaube ist mehr als eine ‚nette‘ Unterbrechung des grauen Alltags

Liebe Leserinnen und Leser!
Ein Gemeindemitglied erzählte etwas überrascht und wohl auch etwas entsetzt, dass einige Frauen aus der Ukraine, die hier in Telgte Zuflucht gefunden haben, für einige Tage in die Ukraine zurückgefahren wären. Mich überraschte das weniger, weil ich wusste, dass die orthodoxen Christen am vergangenen Sonntag ihr Osterfest gefeiert haben.
Ich persönlich kann durchaus nachvollziehen, dass gläubige Menschen den ihnen vertrauten Ostergottesdienst dringend brauchen, die Gemeinschaft und das gemeinsame Essen mit ihrer Familie und ihren Nachbarn, die tief verinnerlichten Riten und Bräuche gerade zu Ostern. All das schenkt ihnen Stärkung und Orientierung, Ermutigung und Hoffnung in ihrem völlig aus den Fugen geratenen Leben.
Sicherlich ist äußere Sicherheit auch für gläubige Menschen sehr wichtig, aber sie ist nicht alles. Wir Christen brauchen ebenso die Verbundenheit mit unseren Brüdern und Schwestern im Glauben, wir müssen die Botschaft und die Erfahrung miteinander teilen und feiern, dass wir durch alle Bedrohung und Gewalt hindurch von Gott getragen sind. Gerade in Krisenzeiten brauchen wir das Fest des Lebens und der Hoffnung.
Andere mögen es anders sehen, aber für mich ist die Tatsache, dass es Geflüchtete gerade zu Ostern aus der äußeren Sicherheit in ihre geografische wie religiöse Heimat zieht, ein starkes Glaubenszeugnis. Es erinnert mich daran, dass christlicher Glaube weitaus mehr ist als eine ‚nette‘ Unterbrechung des grauen Alltags. Christlicher Glaube ist eine wirksame Kraft, die das konkrete Leben deutet und ihm Sinn und Halt gibt - gerade in den unsicheren und schmerzlichen Situationen des Lebens.
Propst Michael Langenfeld