An(ge)dacht

‚Erst kommt das Heizen, dann kommt die Moral‘

Liebe Leserinnen und Leser!

‚Erst kommt das Heizen, dann kommt die Moral‘ - dieses abgewandelte Zitat aus Brecht’s Dreigroschenoper geht mir in diesen Tagen von Energieknappheit und Fußballweltmeisterschaft nicht aus dem Kopf.

Es macht deutlich, wie schwierig es manchmal sein kann, die eigenen moralischen Werte glaubwürdig zu leben - als Einzelne/r und als Gesellschaft. Und wenn man seine Moral auch noch exportieren will, wird es in der Regel noch schwieriger.

Als Mitglied einer Kirche, der man nicht erst seit den Missbrauchsfällen immer wieder - teils zu Recht, teils zu Unrecht - Doppelmoral und moralischen Druck vorgeworfen hat, meine ich zu wissen, wovon ich spreche. Wir haben als Christen immer wieder in der Geschichte neu lernen müssen, dass es nicht ausreicht, Ethik und Moral zu postulieren, sondern selbst ethisch und moralisch zu handeln - selbst wenn es weh tut und etwas kostet. Wie oft mussten wir uns und anderen und Gott gegenüber eingestehen, wie pharisäisch unser Handeln war und leider immer wieder ist (Mt 23, 3).

Was aber für eine religiös begründete Moral gilt, gilt meines Erachtens auch für eine nichtreligiös geprägte Ethik: Sie überzeugt nicht in erster Linie durch rationale Einsicht oder Autorität, sondern durch Beispiel und Vorbild. Und sie wird untermauert von der brutalen (Selbst)Erkenntnis, dass wir manchmal schwach und verlogen handeln und mit dem als gut Erkannten immer wieder neu beginnen müssen.

Propst Michael Langenfeld

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