An(ge)dacht

Ich zünde tatsächlich hin und wieder eine Kerze an für

Liebe Gemeindemitglieder und Gäste!

Ich gehe mit Titus über die Emsbrücke Richtung Dümmert. Ungefähr auf gleicher Höhe mit uns läuft eine Mutter mit ihren beiden Jungs. Als einer von ihnen das große Kletter-Schiff sieht, ruft er begeistert: ‚Da will ich drauf!‘ - ‚Aber da sind doch gar keine anderen Kinder, es ist viel zu kalt.‘ - Der Junge reißt sich die Jacke vom Leib und ruft: ‚Mir ist total warm.‘ - ‚Zehn Minuten.‘ - ‚Aber zehn Minuten ist nicht viel …‘

Ich muss schmunzeln und denke sofort an meinen Onkel und einige andere Leute, die ähnlich hartnäckig verhandeln und feilschen können wie dieser Junge. Und mir kommt Abraham aus dem Alten Testament in den Sinn, der Gott in zähen Verhandlungen dazu bringt, die Stadt Sodom zu verschonen. Eine interessante und zugleich amüsante Szene, in der sich Abraham bei jedem Schritt des Herunterhandelns dafür bedankt, überhaupt so mit Gott reden und solche Bitten stellen zu dürfen.

Mir fällt auf: Viele Menschen verhandeln und feilschen gar nicht im eigenen Interesse, sondern zum Wohl anderer. Wohl weil ich selbst nicht gut handeln kann, beeindruckt mich das. So denke ich gerade jetzt in der Adventszeit nicht selten an die Frauen und Männer, die in den großen Konflikten dieser Welt um kleinste Schritte zum Frieden verhandeln und feilschen, so aussichtslos die Situation auch manchmal scheint.

Vielleicht schmunzeln Sie über mich wie ich über den Jungen: Aber ich zünde tatsächlich hin und wieder eine Kerze für genau diese Unterhändlerinnen und Unterhändler an und erbitte ihnen Geduld und Hartnäckigkeit sowie eine so starke Persönlichkeit, dass sie so einige Unterstellungen, Beleidigungen und Verletzungen unbeschadet hinnehmen können.

Bald werden wir die weihnachtliche Botschaft hören: ‚Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden den Menschen.‘

In diesem Sinne weiterhin eine gute Adventszeit,

Propst Michael Langenfeld

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