An(ge)dacht
Liebe Leserinnen und Leser!
An der Nahtstelle, wo das alte Kirchenjahr zu Ende geht und das neue mit dem Advent beginnt, feiern wir Christkönig.
„König“ zeichnet das Bild des freien, souveränen, von niemandem beherrschten Menschen, eines Menschen, der Frieden schafft und über sich selbst Herr ist.
Für Christinnen und Christen ist dieser König geerdet in Jesus Christus.
Nur hat er äußerlich so gar nichts Königliches.
Schließlich bekommt er einen Purpurmantel um die Schultern gelegt,
als er gefoltert und gegeißelt wird.
Er trägt als Krone ein Leidensinstrument, die Dornenkrone.
Und der Königstitel ist befestigt über dem Kreuz, einem Galgen.
Wenn wir diesen Jesus als König feiern,
ist damit jeder Herrschaftsanspruch beseitigt.
Ich denke an ein Weihnachtslied Martin Luthers:
„Er wird ein Knecht und ich ein Herr: das mag ein Wechsel sein!“
Und ich denke an Luthers Tischregel:
„Der Herr muss selber sein der Knecht, will er´s im Hause finden recht.“
Welch ein Tausch: Der König macht sich klein für uns und macht uns so zu Königinnen und Königen.
Wir als Könige:
eine Wahrheit und ein Bewusstsein,
das uns durch die Kirche oft vorenthalten wurde.
Fast wie im Märchen vom Froschkönig:
Sei kein Frosch, sondern entdecke, dass du ein Königssohn/eine Königstochter bist!
Die Gefahr ist groß, dass wir eine Würde,
die uns von Gott zugebilligt und zuerkannt wurde, von uns wegschieben,
auf Jesus oder auf die „Himmelskönigin“ Maria wegprojizieren,
diese Würde auf Distanz schieben und sie dadurch selbst verlieren.
Wir als Könige,
das heißt zweierlei:
Ein König ist souverän und frei und so zugleich auch fähig,
sich hinzugeben und zu dienen.
Nur wer wirklich souverän und frei ist, kann sich auch kleinmachen, dienen,
sich sogar unterwerfen.
Wer nicht wirklich König ist, ist nicht wirklich frei,
muss sich seine Größe und Freiheit ständig beweisen,
indem er andere entwertet, bevormundet, regiert, kontrolliert und unterdrückt.
Aber ein wirklich Großer verliert nicht seine Größe durch Kleinheit.
An dieser Stelle zeigt sich wahre Souveränität.
Ein Impuls.
Vielleicht dient es Ihnen in manchen Situationen als Schutz, wenn Ihnen jemand Vorwürfe wegen eines Fehlers macht, wegen eines Vergehens oder eines Missgeschicks, wenn Sie jemand anschreit:
Versuchen Sie dann, in sich zu gehen und sich zu sagen:
„Einen König, eine Königin schreit man nicht an. Ich mag fehlbar sein. Das ist wahr. Aber ich dennoch eine Königin, ein König.“
So innerlich stabilisiert können wir auch zu unseren Fehlern stehen, uns dem stellen, was wir auch Falsches oder Unrechtes getan haben.
Aber zwischen unserem Tun und unsrem Sein wird unterschieden.
So ist der Christkönigssonntag als Abschluss des Kirchenjahres auch seine Krönung.
Günther Falkenberg, Pfarrer em.
Inspiriert durch und teilweise übernommen von Hans Gerhard Behringer, Die Heilkraft der Feste erfahren.
Den Jahreskreis neu entdecken, S. 325 ff.