An(ge)dacht

...nehme sein Kreuz auf sich...

Liebe Leserinnen und Leser von An(ge)dacht!

 

„Wenn jemand mein Jünger oder meine Jüngerin sein will, verleugne er sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach.“

Nicht gerade werbewirksam, wie Jesus hier Menschen für sich und seine Sache gewinnen will. Anstatt großer Versprechen eher die nüchterne Ankündigung harter Realitäten. Jesus will niemanden bequatschen und nichts schönreden, er konfrontiert seine Zuhörerinnen und Zuhörer mit dem zu Erwartenden.

 

Das alles klingt, ehrlich gesagt, eher negativ und überhaupt nicht lebensbejahend, wenn da von Selbstverleugnung, vom Kreuztragen und vom Leben-Verlieren die Rede ist.

Früher habe ich das so verstanden, dass Jesus die alltäglichen Probleme und Einschränkungen meint, die jeder von uns zu tragen hat. Wahrscheinlich ist auch das mitgemeint.

Aber der Mann vom Kreuz - so glaube ich heute - fordert von seinen Jüngerinnen und Jünger tatsächlich die Bereitschaft zu sterben: Wer mir nachfolgen will, muss sterben - darf nicht mehr länger nur an sich selbst denken - muss loslassen können - soll selbstlos leben - muss auf seine eigenen Wünsche und Vorstellungen verzichten - muss bewusst Ja zu einem Leben der Liebe und Hingabe sagen.

 

Das tägliche Kreuztragen ist für mich ein Hinweis darauf, dass ein solches Sterben ein Prozess ist, der uns Christen jeden Tag erneut vor die Wahl stellt, Jesus in seiner Liebe zu folgen oder unsere eigenen Interessen durchzusetzen.

 

„Wollt auch Ihr gehen?“ - Jesus zwingt niemanden in seine Nachfolge, er lädt ein, er wirbt und bittet. Seine Nachfolge geschieht immer nur aus freiem Willen - das gilt für die Interessierten damals wie heute. Die Freiheit der Entscheidung ist Voraussetzung jeder Nachfolge!

 

Und noch eines scheint mir äußerst wichtig, damit dieses Wort Jesu nicht missverstanden wird: Nur wer sich selbst angenommen hat, kann eintreten in die Nachfolge Jesu. Sich selbst verleugnen, sein eigenes Ich loslassen kann doch nur, wer es zuvor gefunden und entwickelt hat. Denn es geht Jesus ja nicht um die Zerstörung unserer Persönlichkeit, sondern darum, dass wir nicht ständig für uns selbst und unsere Anerkennung in dieser Welt kämpfen. Indem wir uns ganz und gar ihm anvertrauen, uns an ihn verlieren, werden wir uns selbst finden und unsere Welt heller und österlicher machen.

 

Propst Michael Langenfeld

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