An(ge)dacht
nichts ist selbstverständlich

Liebe Leserinnen und Leser!
Es sind 37 Grad, mein Hund liegt auf den kalten Bodenfliesen und pennt. Eine ausgedehnte Wanderung haben wir bereits sehr früh am Morgen unternommen. Mehr zufällig haben wir - ich bin mit einem Mitbruder unterwegs - eine Ferienwohnung in einer jahrhundertalten Wassermühle direkt am Rande eines Waldes gefunden, deren Räume erstaunlich kühl bleiben. Über das Grundstück fließt (noch) gut gefüllt der Mühlenbach. Ich bin dankbar, dass ich bei diesen ungewöhnlichen Temperaturen Urlaub machen darf und nicht von Termin zu Termin muss.
Nebenan wird das Getreide eingefahren, Staub hüllt alles wie in Nebel. Dem Landwirt macht die Hitze sichtlich zu schaffen. Die Winzer sind in den benachbarten Weinbergen, um ihre Weinstöcke teils einzeln zu wässern. Auch ihnen ist die Anstrengung anzusehen. In den Eisdielen und Biergärten versuchen die ohnehin wenigen Bedienungen, den Wünschen ihrer Gäste irgendwie gerecht zu werden.
Selten ist mir so konkret bewusst geworden, dass nichts selbstverständlich ist, weder der Gerstensaft noch die Weinschorle, weder ein rauschender Bach noch ein kühler Raum, auch nicht die pünktliche Bedienung. Wenn alles selbstverständlich wäre, wem sollte ich dann auch dankbar sein?
Aus dem Urlaub grüßt Sie
Propst Michael Langenfeld