An(ge)dacht
noch Fragen?

Vor ein paar Tagen, auf dem Weg nach Hause: Mit dem E-Bike kommt man auf dem gut ausgebauten Radweg zwischen Telgte und Wolbeck schnell voran. 25 Kilometer pro Stunde sind auch bei der Hitze kein Problem. Vom Weiten sehe ich eine Rennradfahrerin mir entgegen kommen. Sie ist vermutlich noch schneller unterwegs. Dann passiert das unerwartete: Sie ruft mir im Vorbeifahren etwas zu. Nur- ich verstehe kein Wort! - Hat sie was von „Gebüsch“ gerufen? Oder „…rutscht“? Erwartet mich vielleicht ein Hindernis auf der Strecke? Oder gibt es wieder mal eine Baustelle, die heute morgen noch nicht da war? Oder ist ihr vielleicht etwas an mir oder meinem Fahrrad aufgefallen? So sehr ich auch nachdenke, nichts sinnvolles fällt mir ein, wie ich ihren Ruf deuten soll.
Am nächsten Tag beschäftige ich mich für einen Gottesdienst mit dem Kampf Jakobs am Jabbok (Genesis 32,23-33). Jakob ringt die Ganze Nacht mit einem Fremden und in einem Kommentar lese ich, dass nicht zu klären ist, ob es sich beim Fremden einfach um einen Menschen, um einen Engel oder um Gott selbst handelte.
Jakob ist sich sicher, er hat mit Gott gerungen. Die Tradition zieht das in Zweifel, weil ja Gott allmächtig ist, der Fremde Jakob aber nicht besiegen konnte. Vielleicht war es also nur ein Bote Gottes? Der Fremde selbst lässt jedenfalls die Frage, wer er sei unbeantwortet, nennt Jakob aber Gotteskämpfer.
Und dann fällt mir wieder die Begegnung vom Vortag ein. Im ganz konkreten Alltag, genauso wie in der Heiligen Schrift, gibt es immer wieder Fragen, die einfach offen bleiben, die nicht sinnvoll eindeutig beantwortet werden können. Und vielleicht, ist das auch manchmal gar nicht notwendig. Unbeantwortbare Fragen regen die Phantasie an und helfen wichtigen Grundfragen auf die Spur zu kommen.
Auf meinen Weg nach Hause war jedenfalls mein Blick für meinen Weg deutlich geschärft. Und beim nachdenken, wer denn der Fremde war, mit dem Jakob gerungen hat, wird mir klar, dass mein Ringen mit Gott und den Menschen oftmals auch ineinander übergeht. Ich wünsche Ihnen jedenfalls, dass auch sie nicht vorschnell eine Antwort auf jede Frage finden, sondern aus manchen offenen Fragen neue Erkenntnisse erwachsen.
Ihr
Richard Schu-Schätter
Pilgerseelsorger