An(ge)dacht

Pater Ephrem OSB

Liebe Leserinnen und Leser,

Die Pharisäer sind immer die Bösen, die auf die wir auch heute noch mit dem Finger zeigen. Hochmütig, selbstgefällig, scheinheilig. 

Und wir? Wir gehören zu den Guten - selbstverständlich! Oder? Wir sind sozial engagiert, geben Spenden, wir begnügen uns mit den hinteren Bänken in der Kirche, (nicht so wie die Pharisäer, die in der Synagoge die vorderen Plätze einnehmen wollen).

 

Also alles gut. Wir können uns beruhigt zurücklehnen, denn wir sind mit diesem Evangelium nicht gemeint. Oder? 

Ist es nicht vielleicht doch auch selbstgefällig zu meinen, dass wir so wie wir sind, völlig in Ordnung sind? Oder müssen wir, wenn wir in uns gehen und ehrlich sind, nicht doch eingestehen, dass die Motivation für unser Handeln oft gar nicht so selbstlos ist, wie wir es gerne selbst glauben und andere glauben machen wollen?

 

Helfe ich wirklich aus Liebe zu meinem Nächsten oder nicht vielleicht doch mehr, damit ich damit Ansehen vor den anderen erlange? Engagiere ich mich im Kirchenvorstand, im Pfarreirat oder sonst in irgendeinem Gremium, weil ich Gott und der Kirche dienen und meine Fähigkeiten zum Wohle der Gemeinde einsetzen will oder vielleicht doch, weil ich Anerkennung, Lob und Bestätigung suche? - Wie war das mit der Scheinheiligkeit und Selbstgefälligkeit der Pharisäer? Bin ich wirklich so weit davon entfernt?

 

Nicht mehr lange und die Vorbereitungszeit auf Weihnachten beginnt. Vielleicht kann ich diese Zeit nutzen, um mein Gewissen zu erforschen und wenn sich dann plötzlich ungeahnte Abgründe vor mir auftun und mein Gewissen mich anklagt, dass ich doch gar nicht besser bin als die Pharisäer, dann kann ich etwas tun, was heute so ganz aus der Mode gekommen ist, was aber unendlich gut tut und wirklich hilft, mich im Innersten verändert und mich beten lässt wie der arme Zöllner: "Gott sei mir armen Sünder gnädig!"

 

Ich kann meine Sünden bereuen, sie einem Priester anvertrauen und in der Beichte Vergebung und Versöhnung mit Gott erfahren. Und dann kann ich wirklich sicher sein: ich gehöre zu den Guten. Nicht weil ich von mir aus so großartig bin, sondern weil Gott mich so gemacht hat.

 

Ihr

P. Ephrem, OSB

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