An(ge)dacht

Propst Dr. M. Langenfeld

„Allen alles sein“ (1 Kor 9, 22)

 

Ein Christ, so lehrt uns Paulus fein,

soll immer allen alles sein.

Als Hirt von Sankt Marien nun

versuch ich täglich, das zu tun.

Und da so viele dies Wort schätzen,

werd ich zum Bild von Gegensätzen.

Wer ich tagein tagaus soll sein,

ich sag’s Euch heute mal im Reim.

 

Beim klassisch guten Gottesmann

steht Frömmigkeit ganz oben an.

Schon bei dem Aufgang von der Sonne

knie ich mit echter Herzenswonne

und bete eifrig mein Brevier

zum Wohl der Anvertrauten mir.

Das heil’ge Opfer, das ist wahr,

bring’ ich auch einmal täglich dar.

 

So viel und bunt wie Ihr, Ihr Leute

sind Eure Wünsche hier und heute.

Der eine will die Predigt kurz,

dem andern ist das ziemlich schnurz.

Ein dritter will sie donnernd laut

als wenn man einen Unfall baut.

Ein Vierter mag sie lieber leise

auf ganz fromme Art und Weise.

 

Nach welcher Art ich zelebriere,

ich immer einen voll verwirre.

Sprech’ ich Gebete feierlich,

‚Zu langsam!‘ schimpft man ärgerlich.

Bin ich dann schneller mit der Messe,

es heißt, ich zelebrier mit Hetze.

Und ob ich spreche oder sing,

jemand ruft sicher: ‚Nicht mein Ding!‘

 

Auch bei der Auswahl richt’ger Lieder

drückt mich manchmal Zweifel nieder:

Such ich moderne Lieder aus,

manch einer schlägt sein Buch nicht auf.

Versuch ich’s dann mit alten Weisen,

bin klar ich aus verstaubten Kreisen.

Probier ich’s darauf mit Latein,

stellt Ihr das Singen völlig ein.

 

 

 

Doch ganz so ängstlich bin ich nicht

(das wisst Ihr glücklicherweise!),

mich leitet Gottes Zuversicht,

dass unsre Messen allen zeigen,

welch Vielfalt ist uns Telgtern eigen.

St. Mariens Personal

lässt Euch, Ihr Gläubigen, die Wahl:

Nicht zeitgleich, aber nacheinander

wir feiern Vielfalt miteinander.

 

Ob in St. Clemens siebzehn Uhr

Ihr Christen findet inn‘re Ruh.

Ob Bet-Sing-Messe dann um Acht,

in der das Lob Gott dargebracht.

Ob festlich’ Hochamt gegen Zehn,

wohin auch unsre Schwestern gehn.

Ob für Familien elf Uhr dreißig,

Ihr seht, wir bieten Vielfalt fleißig!

 

Wer diese Messen hat verpasst,

wem Morgenstunden sind verhasst,

der kann am Sonntagabend gehn

und trotzdem noch den Tatort sehn.

Dort sei auf Gottesdienst gefasst,

der gut zu Junggeblieb‘nen passt.

Da kann ne Jugendmesse sein,

‚Nah-dran‘ ist für Dich vielleicht fein!?

 

Wem dieses alles gar nicht passt,

der mache doch ganz einfach Rast

in einem andern Gotteshaus,

nicht weit aus Telgte liegt es raus:

Sei es Cornelius und Cyprianus,

Maria Frieden und das Rochus,

St. Anna an den Feiertagen

und St. Christoph mit dem Wagen.

 

Auf unsrer Kirchgemeinde Grund

es rufen zehn Kapellen rund

zum Gottesdienst mit ihren Glocken -

Christ, mach Dich endlich auf die Socken!

An allem Ort, zu jeder Zeit

ein Dutzend Pred‘ger stehn bereit,

das Gotteswort Euch auszulegen

zu Eurer Freud, zu Eurem Segen!

 

 

 

 

Nur eines könn wir wahrlich nicht,

das ist die Wahrheit klar und schlicht:

Erfülln die Wünsche aller Christen

am gleichen Ort, zu gleichen Fristen.

Ihr wollt flexibel den Pastor,

das Seelsorgsteam und auch den Chor.

Seid selbst flexibel manches Mal,

denn Ihr habt wirklich Qual der Wahl!

 

+++

 

Mir häufig Füß und Ohren glühn

in meinem ehrlichen Bemühn,

wie Paulus es beschreibt so fein,

Euch allen alles auch zu sein.

Brüder-Grimm-, Marienschule,

dort ich um die Kinder buhle.

Gottes Wort will ich mitgeben

auf der Kinder Lebenswegen.

 

Auch die Suchenden solln wagen

mich nach Christi Weg zu fragen.

Wenn Gespräche darin münden,

dass ich lossprech sie von Sünden,

ist die Zeit mir nie zu schade,

die ich damit auf mich lade.

Denn von Lasten zu befrein,

das ist ja der Auftrag mein.

 

Sich mit Eltern auszutauschen

und genau auf das zu lauschen,

wo sie Glück und Liebe finden,

was sie tief mit Gott verbinden,

ist für mich ein großes Glück

und vom Himmel auch ein Stück.

Darf ich dann die Kinder taufen,

mir schon mal die Tränen laufen.

 

Auch mit Paaren, die sich trauen,

ihr Lebenshaus auf Gott zu bauen,

unterhalte ich mich gern,

so manches Neue ich dann lern.

Dass der Herr in unsrer Mitte,

wenn ich ihn ganz leis drum bitte,

erleb ich mit groß Dankbarkeit

in dieser sonst so schnellen Zeit.

 

 

 

Ganz wichtig scheint mir ohne Frage,

nah zu sein in schlimmer Lage

jedem Menschen, der mich ruft

und nach Gottes Beistand sucht.

Bei Trauernden nicht Worte machen,

rückblickend eher dankbar lachen,

und auszuhalten alle Fragen

und Zweifel, Trauer mitzutragen.

 

Allen will ich alles sein

mit den Möglichkeiten mein.

Allzu oft muss ich erkennen,

dass trotz Hektik, Hetze, Rennen

meine Zeit bleibt doch beschränkt

und meine Kraft am Faden hängt.

Nur der Herrgott ganz allein,

der kann immer und überall sein.

 

Dass ich nicht alleine bin,

ist für mich und Euch Gewinn!

Ein Seelsorgsteam aus klugen Laien,

auch Schwestern sind in unsren Reihen,

aus Priestern und aus Ordenschristen,

auch Diakon schmückt unsre Listen.

Wir sind ein Team, so reich und bunt,

mit uns habt Vielfalt Ihr all Stund!

 

+++

 

Konferenzen, Einkehrtage,

Besprechungen der neuen Lage,

Gespräche, Meetings, Infotreffen,

ein Vortrag oder Arbeitsessen -

bei dieser Fülle an Terminen

kann ich nicht mehr damit dienen,

dass ich ganz pünktlich dort erschein,

wo eigentlich ich jetzt sollt sein.

 

Genauso ist’s mit Schreibtischsachen,

die mir Kopfzerbrechen machen.

Eine Flut von Formularen

hat Vater Staat uns aufgeladen.

Lochen heißt mein Zauberwort

und schon sind die Papiere fort.

Aber auch das Bischofshaus

bringt tonnenweis Papier heraus.

 

 

 

Wie ein Tsunamie bricht herein

ein Aktenberg, mal groß, mal klein

mit Fragebögen und mit Listen,

mit Daten, Zahlen und mit Fristen.

Was kostet das an Zeit und Kraft,

wenn man sich an die Akten macht!

Sankt Bürokratius sei Ehr,

ne blaue Tonne, die muss her!

 

Allen will ich alles sein,

das ist das Bemühen mein.

Doch Ihr seht, Ihr Christen alle,

manchmal wird dies Wort zur Falle!

Du und ich, wir sehen ein:

Gott hat überall zu sein!

Doch Euer Propst, der bleibt beschränkt,

trotz super Team, das Gott geschenkt!

 

Amen.

 

Ihr Propst Langenfeld

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