An(ge)dacht

Route neu berechnen

Liebe Leserinnen und Leser!

 

„Ihre Route wird neu berechnet.“ Wer mit einem Navigationssystem unterwegs ist, der kennt diese Ansage und vielleicht auch die Verunsicherung, die sich einstellt, wenn diese Meldung zu hören ist. Ob Stau, Baustelle oder einfach ein falsches Abbiegen - an der ursprünglich geplanten Route festzuhalten, kann fatale Folgen haben. So unbequem eine Neuorientierung bisweilen sein mag, beim Navigationssystem geht es darum, das Ziel möglichst schnell und sicher zu erreichen.

 

Derzeit erleben wir, wie in unserer Welt auf vielen Ebenen eine Neuberechnung der Route notwendig geworden ist. Als Menschen haben wir Gottes Schöpfung verwundet und müssen dringender denn je neue Wege im Umgang mit der Schöpfung und untereinander finden. In und durch unsere Kirche  wurden Menschen durch sexuellen und geistlichen Missbrauch, aber auch durch Ausgrenzung und Stigmatisierung ihrer Lebensweise verwundet und eine Neuorientierung ist längst überfällig. Innerhalb weniger Tage  wurde mit Straßen und Häusern in der Ukraine die europäische Friedensordnung in Schutt und Asche gelegt und wir müssen neu herausfinden, wie wir das Ziel von Friede und Freiheit erreichen können. „Ihre Route wird neu berechnet!“

 

Ein gutes Navigationssystem hält nicht so lange wie möglich am vorberechneten Weg fest, sondern nutzt flexibel die vorhandenen Karten und die zahlreichen ins System eingespeisten Erfahrungen anderer Verkehrsteilnehmer*innen um bestmögliche Alternativen vorzuschlagen.  Es sind die Erfahrungen der Wissenschaft, die uns bei der Suche nach neuen Wegen mit Gottes Schöpfung umzugehen, helfen. Es sind die von Missbrauch, Ausgrenzung und Anfeindung betroffenen Glaubensgeschwister, die bei einer menschenfreundlicheren und Evangelium gemäßen Gestaltung der Kirche neue Orientierung geben können. Es sind die Erfahrungen von Menschen, die in ihrem Leben gewaltsame Konflikte überwinden konnten, die uns unserem Ziel von Frieden und Freiheit näher bringen können.

 

Und in all diesen Fällen ist das Kartenmaterial für die Neuberechnung uns von Gott selbst ins Herz gelegt. „Liebt einander, wie ich euch geliebt habe!“  So sehr uns die aktuellen Geschehnisse verunsichern mögen, weil die eingeschlagenen Wege nicht mehr zielführend sind. Wir haben allen Grund darauf zu vertrauen, dass er uns alles zur Verfügung stellt, was wir zur Neuberechnung der Lebensrouten brauchen. Er liebt einen jeden von uns bedingungslos. Er hat uns die Fähigkeit ins Herz gelegt, diese Liebe wiederzuschenken. Und er stellt uns in eine Welt in der zahllose Menschen ihre Erfahrungen mit spezifischen Herausforderungen einspeisen.  Mit all dem können wir es in dieser Fastenzeit wagen so manche Route neu zu berechnen.

 

Richard Schu-Schätter

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