An(ge)dacht 2019

erschöpft oder erlöst? 

Diese Frage stelle ich mir, wenn ich auf das Weihnachtsfest zugehe. Schöpfung braucht Erlösung! Dass wissen wir nicht erst seit Laudato si, der ersten Umweltenzyklika in der römisch-katholischen Kirche, von Papst Franziskus I. und der von Greta Thunberg initiierten zivilgesellschaftlichen Protestbewegung "Fridays for Future". Auch die Ursprünge des alljährlich gefeierten Krippenspiels gehen auf diesen Gedanken zurück.

Liebe Schwestern und Brüder, am letzten Sonntag haben wir über das Thema „wachsam sein“ wozu Jesus uns aufruft, nachgedacht. Seid wachsam, weil ihr nicht wisst, wann der Herr kommt. (Wie der Dieb in der Nacht oder wie der Blitz am Himmel oder wie die unerwartete Sintflut in der Noahzeit.)

Liebe Leserinnen und Leser,

ganz unabhängig davon, wie unsere Stimmung am 1.Advent auch sein mag - manche empfinden vielleicht Vorfreude, andere eher Ängste und emotionale Überforderung, weil es vielleicht das erste Weihnachten ohne einen lieben Menschen ist -, das heutige Evangelium holt uns alle auf eine andere Ebene und spricht eine ganz andere Sprache.

An der Nahtstelle, wo das alte Kirchenjahr zu Ende geht und das neue mit dem Advent  beginnt, feiern wir Christkönig.

„König“ zeichnet das Bild des freien, souveränen, von niemandem beherrschten Menschen, eines Menschen, der Frieden schafft und über sich selbst Herr ist.

Für Christinnen und Christen ist dieser König geerdet in Jesus Christus.

Nur hat er äußerlich so gar nichts Königliches.

Schließlich bekommt er einen Purpurmantel um die Schultern gelegt, als er gefoltert und gegeißelt wird.

Er trägt als Krone ein Leidensinstrument, die Dornenkrone.

Und der Königstitel ist befestigt über dem Kreuz, einem Galgen.

Im Evangelium vom 33. Sonntag hören wir: „Bleibt standhaft und ihr werdet das Leben gewinnen!“ Vor dieser Aussage stehen 14 Verse im Evangelium, in denen uns gesagt wird, für welche Situation dieses Wort Jesu gesprochen ist. Dieses Evangelium ist unter dem Eindruck einer großen Katastrophe, geschrieben worden. Jerusalem, die heilige Stadt, mit ihrem mächtigen Tempel, dem ganzen Stolz Israels war nur noch ein Trümmerhaufen. Zerstört, geplündert, Israel genommen. Eine Situation zum Verzweifeln. In diese Situation hinein ist dieses Wort gesprochen.

Einige schauen manchmal etwas überrascht, wenn Besprechungen von kirchlichen Gruppen oder Arbeitskreisen mit einem kurzen Gebet beginnen oder enden. Der Pfarreirat zum Beispiel beginnt alle seine Sitzungen mit einer Art Besinnung, der Kirchenvorstand immer mit einem Gebet zum Heiligen Geist. Und nicht selten werde ich gebeten, am Ende einer Zusammenkunft den priesterlichen Segen zu spenden. Mich persönlich lässt es gelassener werden, wenn mir beim Beten noch einmal ganz bewusst wird, dass wir nicht allein, sondern gemeinsam mit Gott ans Werk gehen. Gerne bete ich folgendes Gebet:

Liebe Leserinnen und Leser unserer Homepage, 

selbst wenn einem die Worte fehlen ist Gott ansprechbar. Man muss sich nur etwas einfallen lassen. 

Ein Bauer war eines Abends mit seinem Karren auf dem Weg nach Hause. Da merkte er, dass er sein Gebetbuch zu Hause vergessen hatte. Zu allem Unglück brach mitten im Wald ein Rad seines Wagens, und betrübt stellte er fest, dass dieser Tag nun vergehen würde, ohne dass er sein Nachtgebet verrichtet hätte.

Ende September war ich in Berlin und habe  meine Schwester, die schon lange dort lebt, besucht. Wir machten einen Rundgang in ihrem Kiez .Unterwegs sagte sie: komm, wir machen einen Abzweig, das interessiert dich sicher. Der kleine Umweg führte uns zur Kirche Maria Regina Martyrium, Maria Königin der Märtyrer, einer Gedenkstätte mit einer modernen Kirche ganz in der Nähe der ehemaligen Hinrichtungsstätte Plötzensee. Mir war schon sehr beklommen zumute an diesem Ort. Beim Betreten der Kirche  kamen wir als erstes in einen Raum mit einer großen Betonwand, goldfarben gestrichen, und davor einer modernen Pietá, die der Künstler Fritz König geschaffen hat: eine kantige, bronzene Marienfigur, die den toten Sohn im Schoß hält.