Bildunterschrift: Sehen Erinnerung als andauernde Verpflichtung zur Gedenkarbeit: (v.l.n.r.) Dipl.-Theologe Peter van Elst, Privatdozent Dr. Christoph Lorke, Bürgermeister Wolfgang Pieper, Dr. Barbara Elkeles vom Verein Erinnerung und Mahnung e.V., Propst Dr. Michael Langenfeld und Pastoralreferent Dr. David Krebes.

 

80 Jahre nach Kriegsende:

Telgte gedenkt der Opfer des Nationalsozialismus

Telgte, 29. Januar 2025

 

Aus Anlass des 80. Jahrestags des Endes des Zweiten Weltkriegs erinnerten das St. Rochus-Hospital Telgte, der Verein Erinnerung und Mahnung Telgte e.V., die Katholische Kirchengemeinde St. Marien Telgte sowie die Stadt Telgte an die Opfer des Nationalsozialismus. Rund einhundert Interessierte versammelten sich am Montag im Pfarrheim St. Johannes und nutzten die Gelegenheit, sich aktiv mit der Bedeutung einer lebendigen Erinnerungskultur auseinanderzusetzen.

Grußworte zu Beginn

In seinem Grußwort hob Bürgermeister Wolfgang Pieper hervor, wie wichtig das öffentliche Gedenken in einer Zeit sei, in der „die Grenzen des Sagbaren zunehmend verrutschen“ und forderte zu Wachsamkeit gegenüber gesellschaftlichen Entwicklungen auf. Er betonte, dass die Auseinandersetzung mit den Gräueltaten des Nationalsozialismus mehr denn je notwendig sei, um demokratische Grundwerte und ein friedliches Miteinander zu schützen.

Peter van Elst, Seelsorger des St. Rochus-Hospitals, betonte: „Als katholische Einrichtung werden wir uns stets entschlossen gegen alle Formen der Ausgrenzung und Diskriminierung wenden. Wir müssen als Gesellschaft zusammenstehen.“

Dr. Barbara Elkeles, Vorsitzende des Vereins Erinnerung und Mahnung e.V., unterstrich ebenfalls die andauernde Verpflichtung zur Gedenkarbeit und ergänzte: „Für die Zukunft brauchen wir Erinnerungsarbeit, um Ausgrenzung und Unmenschlichkeit und Machtmissbrauch entschieden entgegenzutreten.“

Vortrag von PD Dr. Christoph Lorke

Einen Höhepunkt der Veranstaltung bildete der Vortrag von PD Dr. Christoph Lorke, Wissenschaftlicher Referent und Projektleiter im Referat „Geschichte des Arbeitens“ am LWL-Institut für westfälische Regionalgeschichte. Er zeichnete einen historischen Bogen durch 80 Jahre Erinnerungskultur und machte deutlich, warum dieser Prozess zu keinem Zeitpunkt als abgeschlossen gelten darf.

Nach Kriegsende, erläuterte Lorke, habe zunächst das Prinzip des „Weitermachens“ und „Vorwärtsschauens“ dominiert, verbunden mit dem Wunsch nach neuer Stabilität. In vielen Ländern standen vor allem eigene Kriegsopfer und deren Angehörige im Fokus öffentlicher Anteilnahme. Eine umfassende Auseinandersetzung mit den nationalsozialistischen Verbrechen begann erst allmählich in den 1960er-Jahren. Die ersten juristischen Prozesse gegen Kriegsverbrecher, literarische Aufarbeitungen und die Einrichtung von Gedenkstätten signalisierten einen Wandel im gesellschaftlichen Bewusstsein. Verschiedene Opfergruppen, etwa Menschen mit Behinderungen, Homosexuelle und Zwangsarbeiter, wurden allerdings erst in den vergangenen zehn bis fünfzehn Jahren verstärkt in die Erinnerungsarbeit eingebunden.

Einen wichtigen Schritt auf internationaler Ebene stellte laut Lorke die im Jahr 2000 in Stockholm initiierte Holocaustkonferenz dar. Viele Regierungen Europas erklärten damals, der Völkermord an den Juden solle ein gemeinsamer Bezugspunkt in der europäischen Erinnerungskultur sein. Seither ist der 27. Januar – der Tag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz – in zahlreichen Ländern als offizieller Gedenktag verankert. In der Bundesrepublik besteht diese Tradition bereits seit 1996.

Lorke wies zudem auf die umkämpfte Erinnerungskultur in der DDR hin, in der die Schuld an den NS-Verbrechen oft einseitig dem „Westen“ zugeschrieben wurde. Nach der Wiedervereinigung habe es zudem kritische Stimmen gegen ein zentrales Holocaust-Denkmal gegeben, was auf eine anhaltende Schwierigkeit in der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus hinwies. Heute stelle sich die Frage, ob und wie Kolonialismus oder Migrationsgeschichte in das kollektive Gedächtnis einbezogen werden sollten. Eine diversere, pluralere Gesellschaft bringe neue Gruppen hervor, die ihr Recht auf Erinnerung einfordern.

„Man muss sensibel mit jeder Art von Ausgrenzung und Diskriminierung umgehen“,
betonte Lorke und ergänzte: „Es geht nicht um Schuld, es geht um Vergewisserung, Reflexion, Vergegenwärtigung. Es gilt, subtile Formen von Hass und Gewalt ernst zu nehmen, bevor es zu spät ist, Verantwortung zu übernehmen und nicht wegzusehen. Ausgrenzung von Minderheiten und Schwächeren erlebt in diesen Zeiten eine beinahe unheimliche Wiederkehr. Es muss uns dazu anhalten, wachsam zu bleiben und gegenseitig Toleranz zu zeigen.“

Gemeinsames Gedenken und Ausblick

Musikalische Akzente setzte die Chorgemeinschaft St. Johannes unter der Leitung von Stephan Hinssen, die unter anderem hebräische Lieder sang und das Publikum zum Mitsingen einlud. In einem interaktiven Teil notierten die Teilnehmenden ihre Wünsche für ein respektvolles und friedliches Miteinander auf ausgehängten Plakaten.

Am Ende des Abends stand die Erkenntnis, dass Mahnung und Gedenken dauerhaft bestehen müssen, um die Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus wachzuhalten und das Bewusstsein für grundlegende Werte zu stärken. Dr. Christoph Lorkes eindringlicher Schlussappell fand breite Zustimmung: „Erinnerung ist eine Daueraufgabe, gerade jetzt, und eine Verpflichtung gegen das Vergessen der Demokratie.“

 

Erinnerung und Mahnung – Verein zur Förderung des Andenkens an die Juden in Telgte e.V.

Der Verein Erinnerung und Mahnung wurde am 30. November 1998 gegründet. Er hat sich zum Ziel gesetzt, die Geschichte der Telgter Juden zu erforschen und zu dokumentieren. Orte des Gedenkens sollen die ermordeten Juden und weitere Opfer des Nationalsozialismus in das Gedächtnis der städtischen Gemeinschaft zurückholen.

Kontakt:

Dr. Barbara Elkeles

Vorsitzende des Vereins Erinnerung und Mahnung Telgte e.V.
b.elkeles@erinnerung-und-mahnung.de

 

 

Das St. Rochus-Hospital in Telgte ist eine Fachklinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik mit einer über 175-jährigen Geschichte. Die Klinik in Trägerschaft der St. Franziskus-Stiftung Münster verfügt über 291 Betten und umfasst die Bereiche Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Psychotherapie, Gerontopsychiatrie und Abhängigkeitserkrankungen. Angeschlossen sind zwei Tageskliniken, eine psychiatrische Institutsambulanz sowie der Wohnbereich St. Benedikt mit 85 Plätzen. Tochtergesellschaften sind u.a. die St. Clemens GmbH mit Angeboten der stationären Altenhilfe, die St. Christophorus Ambulante Pflege GmbH sowie die St. Nikolaus GmbH, eine Inklusionsfirma mit einer Bäckerei und zwei Cafés.

Pressekontakt:

Carolin Bartnick

Referentin für Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation

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